Nach der Rückgliederung des Saargebietes an das Deutsche Reich (Saarabstimmung am 13. Januar 1935) wurde im Rahmen der von der Reichsregierung unternommenen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Bliesmengen-Bolchen ein Demonstrationsbauprojekt durchgeführt. Als Standort wurde das Gemeindeland auf einer Anhöhe südöstlich von Bliesmengen-Bolchen gewählt. Das Gebiet hatte die Bannbeschreibungen „Oberes Allmend“ und „Moorsgarten“. Jedes Grundstück war ca. 1000 qm groß und sollte den Bewohnern die Möglichkeit bieten, sich einen zusätzlichen Nebenverdienst im Garten zu erwirtschaften. Dazu waren auf den Grundstücken auch Ställe für Ziegen, Hühner und Kaninchen vorgesehen. Unter Anrechnung einer Eigenleistung von 1000 Arbeitsstunden kostete ein solches Haus mit Garten ca. 5.000 RM, wobei Straßen-, Kanal- und Wasseranschlüsse den Siedlern nicht angelastet werden durften. Bei einem Durchschnittslohn von 120,00 bis 160,00 RM im Monat mussten die Siedler monatlich 25,00 bzw. 30,00 RM abbezahlen. Junge Ehepaare entschlossen sich, in gemeinsamer Arbeit ein bis dahin unwirtschaftliches Stück Land zu bebauen und ihren Familien ein neues Zuhause zu geben. Am 30. September 1935 war es dann soweit: die Bauarbeiten hatten begonnen. Das Neubaugebiet konnte vom Nachbarland Frankreich aus gesehen werden, worauf die damalige Regierung viel Wert legte.
„Siedeln“ heißt“ sich niederlassen, sich sesshaft machen“. Damit ist der Begriff „Siedlung“ auch schon beschrieben: Die Bevölkerung des Landes ansiedeln und für die Zukunft sesshaft machen, das war der Sinn und Zweck des Bauprojektes.
Zwanzig Siedlerhäuser wurden von der Saarpfälzischen Heimstätte in Neustadt geplant und von der Bauunternehmung Bleh mit Hilfe der Bewerber errichtet. Keiner der Siedler wusste, welches Haus für ihn vorgesehen war. Die Motivation unter den Bewerbern war groß, und das Motto „Alle für einen, einer für alle“ wurde gelebt.
In der oberen Straßenreihe (heute „Am Höllenberg“) wurden 11 Häuser errichtet, und in der unteren Straßenreihe (heutige Heuwiesstraße) waren es 9 Gebäude. Die oberen Häuser unterschieden sich von den unteren, einmal durch die Zimmeraufteilung, zum anderen durch die Stellung des Hauses. Die untere Häuserreihe hatte Giebelstellung, die obere Traufstellung. Das Richtfest fand am Samstag, den 8. Februar 1936 statt (Bericht: Landeszeitung vom 11.02.1936).
Für die Siedlungsarbeiter war es nicht einfach, das Baumaterial an die jeweiligen Baustellen zu transportieren. Kein ausgebauter Weg war vorhanden. Ein Höhenunterschied von ca. 90 m musste bewältigt werden. In mühsamer Handarbeit wurden die Ausschachtungsarbeiten in dem schweren, steinigen Boden vorgenommen. Auf beschwerliche Art und Weise wurde das Baumaterial vom Dorf mit Pferden und Kühen auf die Anhöhe geschafft. Kies und Sand wurden aus der nahegelegenen Aue gewonnen. Das Wasser wurde mit einem umgebauten Transporter, auf dem ein „Puddelfass“ befestigt war, zu den Baustellen gebracht. Das Kellergeschoss wurde aus Bruchsteinen, die aus den örtlichen Steinbrüchen stammten, gemauert. Die Steinbrucharbeiten nahmen die Bewerber selbst vor. Die Ausschachtungsarbeiten leisteten die Männer in mühevoller Handarbeit. Für das Erd- und Obergeschoss wurde ein T-förmiger Bimsstein aus dem Neuwieder Becken verwendet.
Der deutsche Siedlerbund legte in seiner Satzung fest, dass die Verteilung der Häuser an nichtbäuerliche, kinderreiche Arbeiterfamilien gehen sollte. Diese Familien sollten die Chance erhalten, durch das Projekt zu einem Eigenheim zu kommen. Für die Geschäftsführung und Leitung des Vereins war der Vereinsführer und spätere Siedler Fritz Schmitt zuständig. Nach Fertigstellung der Häuser wurden die Bewerber ins damalige Gasthaus Blum, Im Oberen Mengen, eingeladen, um die Siedlerstelle per Losentscheid zugeteilt zu bekommen.
Im Ort selbst wurde das Bauprojekt mit gemischten Gefühlen verfolgt. Viele konnten sich nicht vorstellen, was auf der Anhöhe, weit weg vom Dorf, so entsteht. Einheitliche Häuser, die nicht groß waren, so etwas war neu für die Dorfbevölkerung. Neugierige Dorfbewohner schauten sich den Baufortschritt immer wieder an und kamen in den Ort zurück mit der Bemerkung: „Dass missener gesiehn han, wass do owe uffem Bersch loss isch, die baue dort Hieser, die sinn uss wie Kardehissjer“! (Übersetzt: Das müsst ihr euch ansehen, auf der Anhöhe unseres Ortes werden Häuser gebaut, die aussehen wie kleine Häuser aus Spielkarten).
Diese Aussage dürfte nicht lange von Bestand gewesen sein, denn schon nach wenigen Jahren war dieses Wohngebiet zu einem der schönsten und beliebtesten des Umkreises geworden.
Jeder Siedlerstelle wurde ein Areal von ca. 1.000 qm zugewiesen. Folgende Erstausstattung gehörte zu jedem zweckmäßigen Siedlerhaus:
Nach ungefähr neun Monaten Bauzeit wurde die erste Siedlerstelle Anfang Juni 1936 von der Familie Pirmin Hein bezogen. Nacheinander wechselten 19 Familien ihre Wohnstätte vom Dorf auf die Anhöhe. Familie Alfons Gauer kam als letzte Siedlerfamilie in ihr Siedlerhaus.
Die beiden Straßenzüge mit den neuen Häusern wurden „Siedlung“ genannt. Folgende Ursiedlerfamilien bekamen per Losentscheid ihre Siedlerstelle:
Obere Siedlerreihe:
Untere Siedlerreihe:
Die Häuser waren zweckmäßig gebaut. Der Versuch, auf kleinem Raum alles unterzubringen, was man zum täglichen Bedarf benötigte, war geglückt. In den Anfangszeiten musste auf den für die damalige Zeit gewohnten Luxus verzichtet werden. Es fehlte zum Beispiel die übliche Frischwasserversorgung per Leitung ins Haus. Aus einem Brunnen mit Pumpe, der sich auf dem heutigen Anwesen der Familie Marianne Meyer befand, wurde das notwendige Wasser geschöpft. Erst im Jahre 1937 wurde eine Wasserleitung vom Bassin „Breitenbach“ gelegt, die jedes Siedlerhaus mit Wasser versorgte.
Die Siedlungsbewohner ließen sich nicht demoralisieren. Sie wussten das Beste aus schwierigen Situationen herauszuholen. An Regentagen wurde der nicht befestigte Weg bis zum Kapellchen mit für damalige Verhältnisse geeignetem Schuhwerk bewältigt. Am Kapellchen wurden die Schuhe gewechselt, die „Batschschuhe“ im trockenen Kapellchen deponiert, um den Weg ins Dorf mit sauberen Schuhen fortzusetzen. Diese Aktion belächelten die Bewohner des Ortes und nannten das Kapellchen unter sich „Schuhschängelsche“. Der Straßenausbau wurde erst nach dem Krieg vorgenommen, und das Wechseln der Schuhe war von da an nicht mehr notwendig.
Text: Verein für Dorfgeschichte Bliesmengen-Bolchen e. V.
Fotos: Verein für Dorfgeschichte Bliesmengen-Bolchen e. V., Dorfverein Bliesmengen-Bolchen e. V.